Im Gespräch mit Dirk Lehmann, Chief Development Expert bei SAP

Dirk Lehmann teilt seinen Blick auf das Thema Gleichberechtigung und Inklusion in der Tech-Branche.

Heute möchten wir eine weitere Perspektive zum Thema Gleichberechtigung und Inklusion in der Tech-Branche teilen. Im letzten Interview mit Verena Traub betonte sie, wie wertvoll es ist, Männer als Verbündete zu haben. Diese Aussage hat uns zum Nachdenken gebracht. Was genau bedeutet es „ein Verbündeter“ in diesem Kontext zu sein?

Um uns einer Antwort anzunähern, möchten wir in diesem Interview Dirk Lehmann zu Wort kommen lassen. Bei seinem Vortrag bei Dev & Donuts mit dem Titel „Platform Engineering XXL“ teilte Dirk seine Erfahrungen, wie die Developer Experience für rund 30.000 Entwickler*innen verbessert werden kann. In seinem Vortrag verwendete Dirk ohne viel Aufhebens geschlechtersensible Sprache. Ein Nachgespräch zu dieser Facette seines Vortrags findet ihr nun hier.

Nach seinem dualen Studium bei IBM ist Dirk über eine Karrieremesse zur SAP gekommen. Aktuell ist Dirk dort Chief Development Expert mit DevOps-Fokus und ist mit der inhaltlichen Führung von heterogenen Teams betraut.

Warum glaubst du, dass sich Führungskräfte zum Thema Gleichberechtigung sensibilisieren müssen?

Vor mehr als 20 Jahren habe ich im Rahmen meines dualen Studiums bei IBM eine Art „Werbeveranstaltung“ für den Studiengang an meinem alten Gymnasium gemacht. Das heißt, ich bin in ein paar Klassen und habe dort etwas über die IBM und die Studieninhalte erzählt. Im Nachgang zur Veranstaltung kam eine Schülerin auf mich zu und fragte ziemlich ernst: „Ist das denn auch etwas für Mädchen?“ Da war ich erstmal baff. Zwar ist mir im Studiengang selbst aufgefallen, dass viele Vorlesungen mehrheitlich von Männern besucht wurden, aber durch den Einwand der Schülerin war mir die Frage seither aus einer anderen Perspektive im Bewusstsein. Wieso sollte ein IT-Studium nur etwas für Männer sein? Und wieso stellt sich dieses Mädchen diese Frage?

In meinem Arbeitsalltag, bspw. bei Neueinstellungen, habe ich ähnliches erfahren. Bewerberinnen zögern eher, wenn sie nicht alle Anforderungen aus einer Stellenanzeige erfüllen. Ein Bewerber würde da eher Mut zur Lücke zeigen. Ich finde es wichtig, für diese Verhaltensweisen sensibilisiert zu sein und gegebenenfalls in Formulierung von Jobbeschreibungen bzw. in den Settings von Personalsoftware darauf zu achten, dass alle geeigneten Kandidat*innen angesprochen werden.

Für mich ist geschlechtersensible Sprache ein einfacher Weg, durch den ich meine Sensibilisierung für das Thema Gleichberechtigung mitteilen kann. Das kostet mich nichts, ich zeige, dass ich Perspektiven wechseln kann und es öffnet den Diskurs mit anderen.

Hast du schonmal unter dem Imposter-Syndrom gelitten?

Ja, ich hatte dieses Gefühl insbesondere kurz bevor ich meine ersten Vorträge gehalten habe. Man sitzt da und beobachtet, wie die Großen der Branche auf der Bühne stehen und richtig abliefern. Da dachte ich oft, dass sie mehr wissen als ich. Das hat mich verunsichert. Ich habe sogar einmal darüber nachgedacht vor meinem eigenen Auftritt einen medizinischen Notfall vorzutäuschen, um mich zu drücken.

Wie hast du dir das nötige Selbstvertrauen in deine Fähigkeiten aufgebaut?

Auch hier hat mir der Perspektivwechsel geholfen. Auf einer Konferenz hörte ich von einer richtig guten Sprecherin, dass es ihr ähnlich ginge. Sie erzählte mir eine Anekdote über Neil Armstrong, der Berichten zufolge auch ungern in der ersten Reihe bei den „wirklich klugen Leuten“ saß. Das half mir zu verstehen, dass diese Unsicherheit sogar den ersten Menschen auf dem Mond noch ereilt.

Heute sehe ich das Sprechen auf Konferenzen als persönliche Herausforderung. Es freut mich, wenn es gut läuft, und ich nehme Feedback gerne an. Das Feedback von außen hilft, diese Selbstzweifel zu überwinden. Ich will Verantwortung übernehmen und durch Erfahrungen Unsicherheit abbauen.

Hast du Ideen, wie Gleichberechtigung in Unternehmen besser umgesetzt werden könnten?

Ich habe bisher in allen meinen Positionen festgestellt, dass heterogene, diverse Teams in der Tech-Branche sehr gute Leistung erbringen. Sie bilden das Gegenstück zur Aussage „Wo viele das Gleiche denken wird weniger gedacht.“ Unterschiedliche Menschen bringen verschiedene Perspektiven mit, sie können sich in unterschiedliche Software-Nutzer*innen versetzen und Projekte konstruktiver bearbeiten. Ich finde, dass dieser Wert in der Tech-Branche noch mehr geschätzt werden darf.

Deshalb ermutige ich Frauen, ihre Stärken zu schätzen, sie zu zeigen und sich gegenseitig zu unterstützen. Männer fordere ich auf, von ihrem hohen Ross herunterzusteigen, Perspektiven zu wechseln, sensibel und offen für neue Ideen zu sein.

Vielen Dank, lieber Dirk. Deine Perspektive und Erfahrung prägen die Kultur der Tech-Branche. Hier könnt ihr euch mit Dirk auf LinkedIn vernetzen oder ihr schaut mal bei den DevOps Days Zürich vorbei, die von Dirk mitgeleitet werden.