Im Austausch mit Verena Traub, Cloud Consultant bei b‘nerd

Erfahrt in diesem Beitrag Verena Traubs Perspektive zum Thema Gleichberechtigung in der Tech-Branche.

Das Interview ist der Nachtrag zu ihrem Vortrag „Infrastructure as Code auf AWS“, in dem Verena die Vorzüge und Unterschiede von CDK und Terraform herausstellte. Verena ist aktuell Cloud Consultant bei b’nerd mit dem Fokus auf DevOps und Kubernetes.

Ursprünglich war sie im HR-Bereich der IT mit BWL-Hintergrund tätig und gründete eine eigene Firma. Mit Mitte 30 lernte sie das Programmieren in einem halbjährigen Remote-Bootcamp, um sich im Anschluss auf Backend-Entwicklung und Infrastruktur zu spezialisieren. Auch wenn die Vereinbarkeit von Selbständigkeit, Kleinkind und Bootcamp nicht einfach war, fand sie Freude am Coden und dort eine neue berufliche Perspektive.

Welche Werte und Policies in deinem Arbeitsverhältnis unterstützen das Gefühl der Inklusion und Gleichberechtigung?

Als Mutter schätze ich flexible Arbeitszeiten sehr und habe das Glück, dass ich hier große Freiheiten habe – sowohl bei meinem vorherigen Arbeitgeber superluminar als jetzt auch bei b’nerd. Ich denke generell sollten sich Unternehmen auf die unterschiedlichen Lebensmodelle ihrer Mitarbeitenden einstellen, auch wenn dies herausfordernd sein kann.

Außerdem sollten Unternehmen an der Basis anfangen, wenn sie mehr Diversität und Gleichberechtigung haben wollen. Es funktioniert nicht immer, einfach eine Frau als Führungskraft einzustellen und zu hoffen, dass der Rest von alleine kommt. Womit ich natürlich nicht sagen will, dass sie keine Frau als Führungskraft einstellen sollten – im Gegenteil. Bei superluminar lag unsere Frauen-Quote bei so ca. 50 Prozent. Das ist für eine Infrastruktur-Firma mit Cloudfokus schon extrem viel. Hier war man sehr offen für Quereinsteiger*innen und Junior*innen und ich denke, das hat schon sehr viel in Sachen Diversity bewirkt.

Generell denke ich, Inklusion und Gleichberechtigung funktionieren nur, wenn wirklich alle mit einbezogen und gehört werden – und zwar authentisch und regelmäßig. Also aktive Beteiligung und Mitbestimmung statt „von oben herab“.

Müssen sich Führungskräfte zum Thema Gleichberechtigung sensibilisieren?

Definitiv – und das fängt schon bei der Ausschreibung von neuen Stellen an. Männer bspw. neigen dazu, sich auf Stellenanzeigen zu bewerben, auch wenn sie nicht alle Anforderungen aus der Stellenbeschreibung erfüllen. Frauen zögern in diesem Fall eher. Hier kann man gezielt mit ansprechenden Formulierungen verbessern. Und über gleiche Bezahlung für vergleichbare Qualifikation bzw. gleiche Chancen bei Beförderungen muss ich hoffentlich nicht im Detail sprechen 😉

Ergänzend kommt hinzu, sich auch mal zu hinterfragen als Führungskraft, z.B. „Würde ich diese Frage auch einem Mann / einem Vater stellen?“ oder „Würde ich dieses Bewertungskriterium auch bei Kollege X anwenden?“

Und nicht zuletzt: Häufig fällt mir auf, dass sich Führungskräfte die Köpfe darüber zerbrechen, wie sie mehr Gleichberechtigung und Diversity im Unternehmen schaffen – aber das tun sie als Männer unter sich. Schöner und inklusiver wäre es, die Menschen, die es direkt betrifft mit einzubeziehen und zum Sparring einzuladen.

Glaubst du, dass von dir mehr erwartet wird als von deinen männlichen Kollegen?

Das ist eine fiese Frage, weil ich fast glaube, dass bei mir eigentlich das Gegenteil der Fall war – zumindest im Bewerbungsprozess. Als Quereinsteigerin hatte ich das Gefühl, dass ich bessere Chancen bei Bewerbungsgesprächen hatte im Vergleich zu einem Mann mit ähnlichem Hintergrund. Ein Mann, der mit Mitte 30 programmieren lernt, hat in meiner Wahrnehmung mehr zu überwinden und muss sich stärker durchsetzen. Im Zweifel muss er in der gleichen Bewerbungssituation mehr leisten, während mir eher die Chance gegeben wird, mich zu beweisen.

Im Arbeitsalltag selbst ist es dann aber doch anders. Häufig muss man sich als Frau deutlich stärker positionieren und „lauter“ sein als ich das eigentlich wäre, um gesehen zu werden und sich durchzusetzen. Und natürlich gibt es dann noch die generelle Mehrbelastung als Frau, die meist nicht gesehen wird – Stichwort „Mental Load“. Als Mutter muss ich beispielsweise in der Mittagspause viele Dinge erledigen und kann selten einfach nur Pause machen und regenerieren.

Hast du schonmal unter dem Imposter-Syndrom gelitten?

Mhm, ja. Immer und jeden Tag. In meiner früheren Tätigkeit im HR-Bereich konnte ich als Expertin Menschen erklären, wie Dinge funktionieren. Als Quereinsteigerin in der IT geht es mir etwas anders. Kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht denke: „Warum habe ich überhaupt damit angefangen? Ich bin ja so blöd, dass ich das nicht hinbekomme.“

Interessanterweise habe ich erfahren, dass auch meine männlichen Kollegen damit kämpfen, wenn vielleicht auch nicht täglich. Das hat mir gezeigt, dass das nicht unbedingt ein „weiblicher“ Gedanke ist oder durch meinen Quereinstieg bedingt, sondern ein Phänomen, das alle treffen kann.

Wie hast du das nötige Selbstvertrauen in deine Fähigkeiten aufgebaut?

Ich habe meine persönliche Strategie entwickelt, um mit dem Imposter-Syndrom umzugehen. Ich akzeptiere, dass es immer wieder auftauchen wird und in diesen Momenten atme ich durch, beruhige mich und erinnere mich daran, dass meine Arbeit solide ist. Auch wenn ich nicht alles weiß, weiß ich, wie ich es herausfinden kann. Ein weiser Satz einer ehemaligen Kollegin lautet: „Je mehr du als Entwicklerin weißt, desto mehr weißt du, was du noch nicht weißt.“ (Wer kennt’s?) In der Technologiebranche ist das normal, und es ist wichtig, eine gewisse Unsicherheit als Teil der Neugier und des Lernprozesses zu akzeptieren.

Hast du noch mehr Ideen, wie Gleichberechtigung in Unternehmen besser umgesetzt werden kann?

Ich denke es ist notwendig, dass Gleichberechtigung auf allen Unternehmensebenen gefördert wird, indem man Chancen für Juniors und Quereinsteigerinnen schafft – also sozusagen bei der „Basis“ anfängt – und Mitgestaltung und -bestimmung fördert.

Männer sollten sich genauso wie Frauen kontinuierlich selbst reflektieren, um mit den sich wandelnden Zeiten Schritt zu halten. Denn Gleichberechtigung erfordert die aktive Beteiligung aller und die Offenheit für Feedback. Es ist wichtig, stereotype Verhaltensweisen anzusprechen und Feedback zu geben, um Bewusstsein zu schaffen und eine inklusive Umgebung zu fördern. Ich sehe Männer dabei als starke Verbündete, die helfen können, Gleichberechtigung voranzutreiben. Zumindest hatte ich persönlich das Glück, viele von diesen Allies in meinem Leben zu treffen 🙂

Vielen Dank, liebe Verena, dass du deine Sicht auf die Dinge mit uns geteilt hast. Hier könnt ihr euch mit ihr auf LinkedIn vernetzen. Das Speakerinnen-Line-up von Dev & Donuts beeindruckt uns immer wieder und wir lernen zum Thema Inklusion in der Tech-Branche weiter dazu.