Ein Interview mit Ramona Schwering, Developer Advocate bei Okta

Wie Ramona Schwering von der Kunst zum Coding kam: Über ihren Werdegang, Gleichberechtigung und das Imposter-Syndrom.

Nach Ramonas Vortrag bei Dev & Donuts sind wir wieder einmal ins Gespräch über Gleichberechtigung und Inklusion in der Tech-Branche gekommen. Im Folgenden erklärt uns Ramona, wie sie Developer Advocate bei Okta geworden ist, und was sie aus ihrem Werdegang als Frau in der IT berichten kann.

Wie bist du zum Coden gekommen?

Ich bin Ramona Schwering, bin Anfang 30 und arbeite als Developer Advocate bei Okta. Das heißt, ich bin die Stimme der Entwickler*innen nach außen, also in die Communities und umgekehrt. Developer Advocates repräsentieren die Entwickler*innen in unserer Firma und sorgen dafür, dass wir die Sachen bauen, die sie wirklich brauchen und nicht, was wir denken, was sie brauchen.

Zum Coden kam ich nicht auf dem „klassischen Weg“. Ursprünglich wollte ich Kunst machen und habe als Hobby Webseiten gebaut, um meine Werke zu veröffentlichen. Irgendwann entschied ich, mein Hobby zum Beruf zu machen. Ich studierte zunächst in den Niederlanden, brach das Studium aus Kostengründen ab. Anschließend absolvierte ich eine verkürzte Ausbildung zur Anwendungsentwicklerin und bin heute selbst Ausbilderin.

Welche Werte und Policies in deinem Arbeitsverhältnis unterstützen das Gefühl der Inklusion und Gleichberechtigung?

Bei Okta ist der Wert „Collaboration“ sehr wichtig. Wir schätzen Austausch und Perspektivwechsel, da wir ein vielfältiges Team mit unterschiedlichen Blickrichtungen aus der ganzen Welt sind. Unsere Diversität ist eine große Stärke, und wir pflegen spezielle Gruppen für Frauen, LGBTQIA+ und People of Color, die einander unterstützen und fördern. Diese Unterstützung seitens des Unternehmens ist bemerkenswert. Meine direkte Vorgesetzte ist eine Frau, was in dieser Branche etwas Besonderes ist und auch mir ein Gefühl von Zugehörigkeit vermittelt.

Warum müssen sich Führungskräfte für das Thema sensibilisieren?

Ich sehe eine große Verantwortung bei Führungskräften in der IT-Branche, da sie Produkte für sehr diverse Zielgruppen entwickeln. Dafür benötigen sie vielfältige Denkweisen in ihrem Team. Es gibt zahlreiche Beispiele, in denen Produkte nicht für alle Menschen funktionieren, weil sie nur aus einer Perspektive entwickelt wurden. Denken wir beispielsweise an Gesundheits-Apps, die weibliche Körperfunktionen ignorieren, oder Face-IDs, die Menschen mit dunkler Hautfarbe nicht erkennen. Solche Missstände dürfen nicht vorkommen, daher ist es entscheidend, dass Führungskräfte vielfältige Stimmen hören und einbeziehen.

Wird von dir mehr erwartet als von deinen männlichen Kollegen?

Bei Okta habe ich bisher nicht das Gefühl gehabt, dass dies ein Problem ist, aber ich bin erst rund sechs Monate dabei. Zuvor war ich oft die einzige Frau in meinem Team und musste mir meinen Respekt verdienen. Innerhalb meines Teams war das kein Problem, aber außerhalb des Teams gab es Situationen, in denen ich nicht ernst genommen wurde oder nicht als Entwicklerin wahrgenommen wurde. Zum Beispiel wurde ich bei einer Konferenz, bei der ich als Rednerin auftrat, gefragt, ob ich aus dem Marketing sei. Das war ziemlich frustrierend. Ich glaube, dass Frauen manchmal mehr tun müssen, um sich in der IT-Branche zu beweisen und sichtbar zu sein.

Leidest du unter dem Imposter-Syndrom?

Ja, das ist definitiv etwas, was ich wohl nicht so schnell loswerden werde. Frauen wird in meiner Wahrnehmung oft beigebracht, bescheiden, ruhig und hübsch zu sein. Dieses internalisierte Bild abzulegen, ist eine Herausforderung. Dennoch strebe ich danach, auf die Bühne zu treten und zu zeigen, dass ich hier bin und dass ich etwas zu sagen habe. Glücklicherweise hatte ich großartige Mentor*innen und Kolleg*innen, die mich unterstützt und ermutigt haben. Ich habe auch an Google-Programmen teilgenommen, sowohl als Mentee als auch als Mentorin, was mir geholfen hat, mein Selbstvertrauen aufzubauen. Auch wenn ich immer noch nervös bin, wenn ich vor Menschen spreche, bin ich mir sicher, dass ich einen wertvollen Beitrag leisten kann.

Wie kann Gleichberechtigung in Unternehmen besser umgesetzt werden?

Mentorship-Programme sind großartig, da sie Frauen helfen, sich weiterzuentwickeln und zu vernetzen. Ich kenne beide Seiten: Ich hatte Mentor*innen und bin jetzt selbst Mentorin. Es ist eine schöne Erfahrung, Wissen teilen zu können. Wichtig ist auch, dass Unternehmen Frauen die Möglichkeit geben, sich zu beweisen, ohne sie als „Token“ zu verwenden (Stichwort „Tokenismus“). Sichtbarkeit ist wichtig, aber man sollte sich nicht wie ein Ausstellungsstück fühlen. Auf Twitter gab es einmal eine Diskussion, in der eine Konferenz dafür kritisiert wurde, vorrangig nach weiblichen Speakern zu suchen, was als Tokenismus bezeichnet wurde. Das fand ich unglaublich schade, weil ich finde, dass Frauen selbst entscheiden können, was sie in Ordnung finden und was nicht. Ich finde, dass man Frauen unterstützen sollte, aber ihnen auch die Wahl lassen sollte.

Vielen Dank liebe Ramona, dass du uns diese Einblicke in dein Leben als Entwicklerin und Developer Advocate bei Okta gegeben hast. Auch ein großes Dankeschön für deine Offenheit und dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns dieses wichtige Thema zu reflektieren.