Interview mit Neslihan Yildirim, Hardware-Entwicklerin bei HIMA

Wie sich Neslihan Yildirim als eine Frau in einer männerdominierten Branche durchsetzt und über ihre Arbeit bei der Women in Tech eV.

In diesem Interview erfahrt ihr, wie sich die Mannheimerin Neslihan Yildirim als Hardware-Entwicklerin bei HIMA  für eine inklusivere Tech-Branche stark macht. Als Hardware-Entwicklerin entwirft Neslihan Schaltungen, entwickelt Prototypen und führt Fehleranalysen durch, um sicherzustellen, dass alles korrekt funktioniert. Anschließend werden die fertigen Platinen in diverse Produkte integriert.

Neslihan wollte ursprünglich soziale Arbeit studieren, entschied sich aber für Medizintechnik, nachdem sie das strenge Auswahlverfahren in Mannheim durchlaufen hatte und angenommen wurde. In ihrem Praxissemester bei Fraunhofer IPA entwickelte sie eigene Schaltungen und programmierte den Arduino, wodurch sie ein tiefes Verständnis für die Automatisierung und die digitale Welt gewann. Diese Erfahrung weckte ihre Leidenschaft für Technik. Im Laufe ihrer Karriere erkannte sie, dass sie nicht nur die technischen, sondern auch die sozialen Aspekte der Branche aktiv mitgestalten kann.

Welche Werte und Richtlinien unterstützen in deinem aktuellen Arbeitsverhältnis Inklusion und Gleichberechtigung?

Während meines Studiums war mir die Bedeutung des Themas „Women in Tech“ nicht bewusst. Fast die Hälfte unseres Kurses bestand aus Frauen, und ich fühlte mich nicht in der Minderheit. Nach dem Studium begann ich in meinem ersten Job in der Nähe von Freiburg zu arbeiten, wo ich zwei Jahre lang die einzige Frau unter zwölf Männern im Team war. Als Mannheimerin in einer neuen Stadt, in der ich versuchte, Wurzeln zu schlagen, fühlte ich mich zunehmend fremd. Das Gefühl, mich im Team als Frau beweisen zu müssen, wurde immer stärker. Ich hatte weder im Berufsalltag noch darüber hinaus Gleichgesinnte, mit denen ich mich austauschen konnte.

In Eigenrecherche bin ich auf Women in Tech e.V. gestoßen, und konnte mich dort mit anderen Frauen austauschen. Das hat mir sehr geholfen, meine Ängste und Unsicherheiten zu überwinden. Mittlerweile bin ich neben meinem Vollzeitjob bei HIMA ehrenamtlich als Team Lead bei Women in Tech e.V. tätig.

Bei meinem aktuellen Arbeitgeber bin ich nun sehr zufrieden. Wir haben eine weltweite Organisation namens „Women @HIMA“, die sich für Themen einsetzt, die sowohl Frauen als auch Männer betreffen. Im Oktober und November rücken wir jährlich die Themen Brust- und Prostatakrebs in den Mittelpunkt und setzen uns dafür ein, durch offene und direkte Kommunikation mehr Bewusstsein für die frühzeitige Diagnose zu schaffen.

Zu den wichtigen Themen, bei denen ich mich ebenfalls engagiere, gehören unter anderem das Mentoring-Programm an der Hochschule Mannheim sowie die Teilnahme an Berufsorientierungstagen an Schulen, um für Mädchen als Role Model sichtbar zu werden. Die Arbeit in einer inklusiven Atmosphäre hat meine Motivation deutlich gesteigert.

Warum glaubst du, dass Führungskräfte für das Thema Gleichberechtigung sensibilisiert werden müssen?

Es ist entscheidend, dass Führungskräfte einen breiten Blickwinkel haben, der alle Arten von Menschen berücksichtigt, nicht nur Männer und Frauen. Ein Team, das über Jahrzehnte homogen bleibt und in dem Vielfalt von der Führungskraft nicht aktiv gefördert wird, hemmt sowohl die persönliche als auch die organisationale Weiterentwicklung. Führungskräfte sollten die Teamdynamik aktiv fördern und Empathie für unterschiedliche Perspektiven zeigen. Wenn eine Person beispielsweise empfindsam oder zurückhaltend ist, sollten sie diese unterstützen und ermutigen, sich mehr einzubringen. Gleichzeitig ist es wichtig, alle Kolleg*innen anzusprechen und für Vielfalt zu sensibilisieren.

Findest du, dass von dir mehr erwartet wird als von deinen männlichen Kollegen?

In den ersten Jahren meiner Karriere musste ich mich oft beweisen. Die Erwartungen an mich als Frau waren oft skeptischer. Es gab Fragen wie: „Kannst du das überhaupt?“ oder auch die Aufforderung, eine projektabweichende technische Aufgabe zu starten, wobei ich den Eindruck hatte, dass man eher testen wollte, ob ich es wirklich konnte. Diese Fragen oder Tätigkeitsabrufe wurden meinen männlichen Kollegen nicht gestellt. Ich trat dann selbstbewusst auf und konzentrierte mich darauf, gute Arbeit zu leisten. Irgendwann war klar, dass man an meiner Kompetenz nicht zweifeln muss.

Wie hast du das nötige Selbstvertrauen in deine Fähigkeiten entwickelt?

Selbstvertrauen ist ein Prozess und kommt nicht von heute auf morgen, es muss kontinuierlich entwickelt und trainiert werden. Es wächst durch Erfolge und Erfahrungen. Mit jedem erfolgreich abgeschlossenen Projekt verspüre ich eine Bestätigung meiner Fähigkeiten und fühle mich dem jeweiligen Thema zunehmend sicherer.

Mittlerweile, nach sechs Jahren im Berufsleben, habe ich das nötige Vertrauen in meine Fähigkeiten gewonnen.

Hast du Ideen, wie Gleichberechtigung besser umgesetzt werden kann?

Ich finde es wichtig, dass ein Bewusstsein für gesellschaftlichen Wandel geschaffen wird. „Women @HIMA“ ist ein Statement. Wir sind aktiv und tun etwas. Ich bin jedoch zwiegespalten, was beispielsweise genderneutrale Sprache angeht. Ich möchte als Entwicklerin bezeichnet werden und frage mich oft, ob Stellenausschreibungen alles abdecken sollten. Wenn wir heute etwas bewegen können, sollten wir es tun, da es uns in die Zukunft begleiten wird. Gleichberechtigung ist ein fortlaufender Prozess, der aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und weiterentwickelt werden muss.

Vielen Dank, Neslihan, für deinen wertvollen Beitrag und dafür, dass du dir die Zeit genommen hast. Es ist toll, dass du deine Perspektive mit uns geteilt hast. Wir wünschen dir und allen anderen Frauen von Women in Tech e.V. viel Erfolg bei euren nächsten Projekten. Wer noch mehr wissen möchte, kann sich hier informieren: https://www.womenintechev.de/