Interview mit Mirjam Aulbach, Senior Software Engineer
Auf der enterJS in Mannheim hatten wir die Gelegenheit, Mirjam Aulbach kennenzulernen und mit ihr über ihre Erfahrungen als Woman in Tech zu sprechen. Ihr Weg in die Softwareentwicklung verlief nicht unbedingt gradlinig – und genau das macht ihre Geschichte so spannend.
Schon als Kind tüftelte sie begeistert an kleinen Spielen am Computer, ohne zu ahnen, dass sie eines Tages als Senior Software Engineer im Frontend arbeiten würde. Statt eines klassischen Informatikstudiums absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Industriekauffrau und arbeitete viele Jahre als Hundetrainerin. Doch die Begeisterung fürs Programmieren ließ sie nie los: Sie brachte sich selbst HTML, CSS und JavaScript bei und baute Webseiten, bis ihr schließlich in einer Digitalagentur eine Stelle als Entwicklerin angeboten wurde. So fand sie ihren Weg in die Tech-Branche – mit einer Mischung aus Neugier, Leidenschaft und Mut zum Quereinstieg.
Kannst du eine Situation aus deinem Arbeitsleben beschreiben, in dem eine Führungskraft das Thema Gleichberechtigung gut umgesetzt hat?
„In einem meiner früheren Unternehmen haben sich die Führungskräfte aktiv darum bemüht, mehr Vielfalt in ihren Teams zu fördern. So wurden etwa Stellenanzeigen gezielt überarbeitet, um eine breitere Gruppe von Bewerber*innen anzusprechen. Denn wir wissen: Frauen bewerben sich oft nur dann, wenn sie die Anforderungen nahezu vollständig erfüllen. Durch offener formulierte Beschreibungen und Anforderungen konnten mehr Menschen ermutigt werden, sich zu bewerben. Generell halte ich es für essenziell, dass gerade Führungskräfte regelmäßig Schulungen besuchen – um neue Wege der Inklusion kennenzulernen und bestehende Vorurteile bewusst anzugehen.„
Hast du Unterschiede in der Erwartungshaltung erlebt?
„Ich war bisher meistens in Unternehmen, in denen ich eine von wenigen Frauen war. Deshalb wurde ich ständig von Kollegen nach meiner Meinung zu Farben oder Design im Frontend gefragt. Sollte ich darauf eine Antwort haben, nur weil ich eine Frau bin? Generell hatte ich den Eindruck, dass jeder davon ausgeht, dass ich meinen Fokus auf Design oder UX setze – weil ich eine Frau bin.“
Hast du schonmal unter dem Imposter-Syndrom gelitten?
„Ja, immer. Vor allem in meinem Job als Entwicklerin. Ich versuche mir darüber bewusst zu sein, durchzuatmen und zurückzublicken, was ich schon erreicht habe. Leider bin ich aber selbstkritisch, wenn etwas nicht klappt. Als sei ich die schlechteste Entwicklerin der ganzen Welt. Dagegen hilft mein enger Austausch mit Kolleg*innen, denen ich vertraue. Wenn ich dann von ihnen Lob oder Feedback bekomme, speichere ich mir das in einem Folder ein, quasi meine Sammlung aus netten Worten. Wenn es dann mal wieder schlimmer ist, schaue ich da rein und merke, dass meine Arbeit ja gar nicht so schlecht sein kann.
Meine größten Unsicherheiten entstanden vor allem dadurch, dass ich kein Studium absolviert habe. Mir fehlte das Gefühl, die richtigen Fachbegriffe zu kennen, und ich zweifelte daran, ob ich meine Arbeit überhaupt „richtig“ mache. Also begann ich ein intensives Selbststudium: Ich las Fachliteratur, vertiefte Konzepte und wollte die Zusammenhänge wirklich verstehen. Dabei stellte ich schnell fest, dass ich vieles ohnehin längst in meiner täglichen Arbeit umsetzte – nur ohne den theoretischen Überbau. Dieses eigenständige Lernen hat mir schließlich das Selbstvertrauen gegeben, meine Fähigkeiten klarer zu sehen und selbstbewusster einzusetzen.“
Welche Veränderungen wünschst du dir in der Tech-Welt für mehr Chancengleichheit?
„Das Thema beginnt weit vor dem eigentlichen Einstieg in die Tech-Welt. Vor einigen Jahren habe ich an der Uni Darmstadt einen Vortrag für junge Frauen gehalten, die erste Einblicke in die Branche gewinnen wollten. Dort erzählte ich eine Anekdote aus meiner Schulzeit: Damals hieß es oft, Mädchen könnten kein Mathe – und ich war froh, solche Zeiten hinter uns gelassen zu haben. Doch die Teilnehmerinnen meinten, dass sie genau diese Erfahrungen heute immer noch machen. Das hat mich wirklich nachdenklich gestimmt. Für mich ist klar: Das Problem setzt schon in der Schule, wenn nicht sogar im Kindergarten, an. Mädchen brauchen früh Ermutigung und Unterstützung. Orientierungstage, Besuche von Tech-Messen oder -Konferenzen können hier wertvolle Impulse geben. Es gäbe viele Stellschrauben – man müsste sie nur endlich konsequent drehen.“
Welchen Rat würdest du jungen Frauen geben, die in die Tech-Branche einsteigen wollen?
„Sucht euch Gleichgesinnte. Geht auf Tech Meetups oder Events, die euch als Zielgruppe ansprechen. Da trefft ihr auf Leute, die die gleichen Interessen wie ihr haben. Ihr könnt euch da eine Supportgruppe suchen oder Sparringspartner*innen. Achtet bei der Jobsuche darauf, euch die Werte eines Unternehmens sehr deutlich anzuschauen. Wählt die Firma aus, die eure Werte wiederspiegelt. Das kann man im Bewerbungsgespräch auch gut abfragen.“
Liebe Mirjam, du bereicherst die Tech-Branche nicht nur mit deinem Know-how, sondern auch mit deiner klaren Haltung, deinem Mut und deinem Engagement. Danke, dass du deine Gedanken mit uns geteilt hast. Hier könnt ihr euch mit Mirjam auf LinkedIn vernetzen.