Im Interview mit Vicky Pirker, Strategic UX Consultant

Vicky Pirker haben wir auf der diesjährigen enterJS in Mannheim kennengelernt. Sie hat uns eine spannende Keynote zu „Nobody Needs UX“ gehalten. Wir haben Vicky gefragt, ob sie mit uns über ihre Erfahrung als Frau in der Tech-Branche sprechen möchte. Erfahrt hier mehr darüber.

Vicky ist seit zwei Jahren selbstständige UX-Beraterin in Österreich und hat ihre eigene Firma gegründet. Zuvor hat sie in verschiedenen internationalen Unternehmen gearbeitet und kam bereits während ihres Praktikums das erste Mal mit SAP HCM in Berührung. Als sie mitten in der Finanzkrise ihr Studium abschloss, bot ihr die Praktikumsstelle direkt einen Job an – eine Chance, die sie gerne annahm. So startete sie ihre Karriere in der IT. Mit der Zeit merkte sie, dass es ihr Spaß machte, komplexe Systeme zu verstehen und herauszufinden, wie sie funktionierten.

Erzähle uns von deinen ersten Erfahrungen in der Tech-Branche.

„Ich werde nie vergessen, wie mich Menschen fragten, warum ich in der Tech-Branche arbeiten wollte. ‚ Was genau macht sie denn da?‘ Dieses veraltete Bild von Frauen in der Branche war vor zehn Jahren noch allgegenwärtig und da ich noch wenig Erfahrung hatte, hat mich das auch verunsichert. Als ich dann meine erste Stelle in der IT-Abteilung eines österreichischen Familienunternehmens hatte, hatte ich noch Zweifel an meinen Fähigkeiten. Ich dachte immer, dass meine Entscheidungen hinterfragt würden, und habe mich gefragt, ob es den männlichen Kollegen ebenso ergeht. Andere Frauen in meinem Umfeld schilderten jedoch ähnliche Probleme und so kam ich zu dem Schluss, dass wir Frauen uns generell weniger zutrauen. Wir versuchen, in ein Schema reinzupassen. Das habe ich jahrelang versucht.

Doch irgendwann kam der Punkt, an dem ich endlich stolz darauf war, Frau zu sein, und auf alles, was damit einhergeht. Ich habe verstanden, dass ich Dinge mindestens genauso gut kann wie ein Mann. Ich glaube, wir müssen immer daran arbeiten, an uns selbst zu glauben. Nur weil jemand Rückfragen zu meiner Arbeit stellt oder etwas nicht verstanden hat, heißt das nicht automatisch, dass an meinen Fähigkeiten gezweifelt wird. Ich denke sehr schnell und mache deshalb große Gedankensprünge. Deshalb reflektiere ich im Nachhinein immer, ob alles verständlich war. Mittlerweile habe ich das Selbstvertrauen aufgebaut und unter Beweis gestellt, dass ich weiß, wovon ich rede.“

Hast du Unterschiede in der Erwartungshaltung erlebt, z.B. im Vergleich zu männlichen Kollegen?

„Ich glaube, dass wir an uns selbst höhere Erwartungen haben, als es in der Realität der Fall ist. Ich frage mich dann immer: ‚Was sind denn meine Bedenken?‘. Dann nehme ich mich zurück und betrachte die Situation aus einer neutralen Perspektive. Das hilft mir, das Gefühl, mich beweisen zu müssen, etwas zu verringern.“

Wie hast du das Selbstvertrauen in deine Fähigkeiten aufgebaut?

„Das Selbstvertrauen in meine Fähigkeiten hat sich über die Jahre entwickelt – es war definitiv ein Prozess. Positive Bestätigung durch meine eigene Leistung war dabei sehr wichtig: Wenn ich Projekte erfolgreich abgeschlossen habe, konnte ich sehen, dass meine Herangehensweise funktioniert. Dazu kam das Lob und die Zustimmung von Arbeitskolleg*innen und Vorgesetzten, die mir gezeigt haben, dass andere meine Arbeit schätzen.

Aber ehrlich gesagt ist es als Frau in der Tech-Branche manchmal schwer, dieses Selbstvertrauen zu behalten. Man zweifelt öfter an sich selbst. Deshalb war es für mich ein wichtiger Lernprozess, nicht nur Selbstvertrauen und Selbstsicherheit zu entwickeln, sondern vor allem auch Selbstliebe – zu akzeptieren, dass ich gut bin in dem, was ich tue.“

Welche Veränderung wünschst du dir für die Tech Welt?

„Ich wünsche mir, dass der Gedanke, Frauen könnten keine Technik, sondern eher Verkäuferinnen oder Künstlerinnen werden, abgelegt wird. In diesem Sinne sollte auch die Repräsentation in den sozialen Medien verändert werden.

Leider kenne ich immer noch viele Leute, die der Meinung sind, dass Frauen es in der IT-Welt gar nicht erst versuchen sollten. Wir würden das eh nicht schaffen. Ich habe zwei Mentees, die Ende 20 sind und einsteigen wollen. Sie sind sich aber unsicher, ob es dafür nicht schon zu spät ist. Ich habe ihnen gesagt, dass diese Zweifel nur durch die Medien entstehen und sie sich deshalb viel kleiner einschätzen, als sie sind. Sie sollen sich trauen, den Schritt zu wagen.“

Welchen Rat würdest du jungen Frauen geben, die in die Tech-Branche einsteigen wollen?

„Ich finde, man sollte sich immer zuerst die Frage stellen, ob das das Richtige für einen ist. Schaut euch YouTube-Videos von Leuten an, die über die Tech-Branche sprechen, oder sucht euch einen Praktikumsplatz. Die Hauptsache ist, dass ihr es versucht. Denn niemand will in 20 oder 40 Jahren bereuen, etwas nicht getan zu haben.“

Danke, liebe Vicky, dass du mit uns deine Erfahrungen geteilt hast! Vernetzt euch hier mit Vicky auf LinkedIn.